Können Bäume fliegen? Blöde Frage, natürlich nicht, oder etwa doch? Klar, beim Spiel “Alle Vögel fliegen hoch” wirst du sicher schräg angesehen, wenn du die Arme nach oben reißt, aber vielleicht gewinnst du mit einem Augenzwinkern mit diesen Argumenten beim nächsten Mal.
Was bedeutet eigentlich „fliegen“?
Fliegen, das bedeutet nach der Definition sich durch eigene Kraft oder durch Antrieb in der Luft zu bewegen. Bäume haben keine Flügel. Aus eigenem Antrieb zu fliegen, ist für die verholzten Pflanzen also ausgeschlossen. Ihre Samen können jedoch durchaus weite Strecken überwinden, und das tun sie indem sie – richtig – fliegen!
Der Ahornsamen, das Modell des modernen Propellers
Der Samen des Ahornbaumes ist wohl der bekannteste Flieger seiner Art. Das besondere an ihm ist, dass er sich mithilfe seines Propeller von der Luft tragen lässt und am Ende seiner Flugreise ganz sanft zur Erde gleitet. So wird er mit den Wind in alle Richtungen verstreut. Fliegen hat Menschen schon immer fasziniert, vielleicht stand der Ahornsamen 1913 deshalb auch Modell für den Monocopter. Ein Fluggerät mit nur einem Drehflügel, der allerdings nie besonders erfolgreich war.
Der Vogel, das Baumsamentaxi
Baumsamen fliegen nicht nur selbst, sondern auch mit! Dazu nutzen sie den Bauch der Vögel als Taxi. Bunte Früchte, wie Kirschen und Holunderbeeren, haben besonders gute Chancen mitgenommen, also gefressen zu werden, weil sie besser gesehen werden. Amseln, Dompfaffen, Kernbeißer oder Mönchsgrasmücken schlucken die Früchte und scheiden die unverdaulichen Samen nach ihrem Flug an anderen Orten wieder aus. Dort wächst, mit etwas Glück, ein neuer Baum oder Busch (Verdauungsausbreitung).
Zugvögel verstreuen Baumsamen über weite Strecken
Bedenkst du, dass viele Vögel im Herbst in ihre Winterquartiere ziehen kann das dazu führen, dass zum Beispiel die Hohltaube oder die Ringeltaube Baum- und Strauchsamen bis in den Süden Europas mitnimmt. Andere wiederum kommen, wie in manchen Jahren der Seidenschwanz aus Skandinavien oder Russland, zu uns können auf ihrem Flug etwa Samen der Eberesche oder auch von der Ligusterhecke über weite Strecken verteilen. Das bleibt jedoch die Ausnahme, erinnert Hartwig Brönner vom Landesbund für Vogelschutz (lbv), denn Zugvögel sind meist Insektenfresser.
Eichel-, Tannenhäher und Rabenvögel – uneigennützige Waldgärtner
Nicht alle Baumsamen fliegen im “Bauchtaxi”. Manche Samen werden im Schnabel verschleppt. Zu den Meistern der Schlepperbande zählen dabei der Eichel- und Tannenhäher, aber auch Rabenvögel. Im Herbst verstecken sie in ihrer Umgebung Nahrungsvorräte in Form von Nussfrüchten, wie Eicheln, Bucheckern oder Haselnüsse. Da sie nur einen Teil der Nüsse wiederfinden, werden die beiden – ohne es zu wissen – zu Waldgärtnern. Im Frühjahr schlagen die vergessenen Nussvorräte Wurzeln und werden ihrerseits zu großen Bäumen (Versteckausbreitung). Im Naturschutzgebiet von Cambridgeshire in England entstand so ein ganzer Wald durch Hähersaat (vgl. The Guardian), das heißt allein durch Waldgärtner wie den Eichelhäher und andere tierische Helfer.
Samen und Früchte von Bäumen, Sträuchern aber vor allem Gräsern und Beerenfrüchte verbreiten sich
Bäume fliegen also irgendwie doch!
Ob du mit diesem Wissen “alle Vögel fliegen” hoch gewinnen kannst, liegt nun an deiner Überzeugungskraft. Sicher ist, zumindest ein Teil des Baumes kann auf die ein oder andere Weise fliegen. Denn Fliegen bedeutet bekanntlich durch eigene Kraft oder durch Antrieb zu fliegen, wie der Antrieb aussieht ist dabei nicht festgelegt.
Quellen:
Interview mit Hartwig Brönner, lbv Main-Spessart am 18.08.2021
Wikipedia „Samenausbreitung„
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